Ich kam dann … nach Bayreuth, wo ich eineinhalb Tag bleiben mußte. Die Stadt war so hell und freundlich und das Wetter wie Frühlingsvorposten eingetreten, daß ich Lust bekam, zu Jean Paul zu gehen; und gegen Abend traf ich ihn bei guter Laune (er hat wieder ein Werk unter den Fingern) in einem ziemlich eleganten Hause, umgeben mit Frau (einer echten Berlinerin) und zwei ungezogenen artigen Mädchen; sein abgenutzter Überrock war ehedem blau und sonst, wie auch das Hemd auf der Brust, nicht eben rein zu nennen, seine Rockschlippen unter dem Kragen waren Nadelkißchen, denn wohl sechzig Nadeln konnte man hier eingesteckt zählen, wahrscheinlich zum Festheften der Papierstücke. Ich fand seine Gesichtszüge gerade so, wie ich mir sie n i c h t vorgestellt hatte (das Bildnis vor dem Hersperus ist gar nicht ähnlich), aber nur ein Wort aus seinem Mund, und man hört den alten Bekannten. Sein Kolorit gleicht dem eines Weintrinkers, der Kopf ist dick (ein wenig von Luther hat er), hat hübsche Quetschbacken, die Nase ist ein bißchen unbestimmt, selbst im Profil, was schade, die Stirn ist schön, der Mund auch, und die Augen sehen weich und rührend, aber männlich, der Mund – so das hab' ich schon; übrigens ist er mittelmäßiger Größe und sehr stark – überhaupt, kann ich Dir sagen, drückt sich an dem edlen, deutschen Kopfe so viel Schönes aus, das man in den ersten Stunden nicht so ganz zu beurteilen fähig ist, so wie oftmals dasjenige, was aus ihm herausgegangen ist. Jean Paul ist ein leidenschaftlicher Preuße und wünscht (wie überhaupt das ganze bayrische Land) nicht mehr, als wieder einer zu heißen; er sprach mehr über Politik, lobte Görres ganz entsetzlich und neigte sich am Ende nochmals zu mir und, indem er mich angriff, sagte er: »O sagen Sie's mir doch noch einmal, was meinen Ohren zu hören doch so wohltut, d a ß w i r w i e d e r P r e u ß e n w e r d e n .« Dann wa er höchst ausschweifend, sprang vom Wiener Kongreß auf die Untätigkeit Schellings, die ihn ärgerte, und dann auf den alten lieben Friedrich Jacobi und schimpfte letzt auf den Bock-Esel Napoleon, wie ihn nannte; alles sprach er sehr heftig-schnell und stand dabei auf, eilte im Zimmer auf und ab, setzte sich und eilte wieder; er war so voll Stech- und Stichworte, verdrehte mir meine Sätze im Maul und war so höchst komisch, daß ich einigemal laut habe lachen müssen. Auch auf die Märchenwelt kam er bald, sprach vom Alter und Ursprung der Märchen und sagte, daß er auch einmal einige Märlein habe schreiben wollen, das Ding sei ihm aber nicht angegangen. Den ersten Band [der Grimmschen Märchen] lobt er außerordentlich, und die Jean Paulin stimmte zu und wolle meinen, daß den zwei Mädchen nie ein Buch mehr Feude gebracht habe. Als ich ging, bat er, Euch doch recht zu grüßen.
Aus Eduard Berend »Jean Pauls Persönlichkeit in Berichten der Zeitgenossen«