Eine Todesvision, die er ein Jahr nach dem Tod seines Bruders in Schwarzenbach hatte, beschreibt Günter de Bruyn in »Das Leben des Jean Paul Richter«
beeindruckend:
... Aus der Winkelschulmeisterzeit in Schwarzenbach ist folgender Vorgang überliefert: Die Wirtin betritt Richters Zimmer und findet ihn bleich, verstört am Fenster
stehen. Sie spricht ihn an, doch er hört nicht. Erst beim dritten Mal reagiert er, erwacht wie aus Hypnose und dankt der Frau, weil sie ihn durch ihr Kommen vor dem Ausbruch des Wahnsinns
gerettet habe.
Das geschieht etwa zu der Zeit, als er 27 Jahre alt, an einem Novemberabend in sein Tagebuch schreibt:
»Wichtigster Abend meines Lebens: denn ich empfand den Gedanken des Todes; daß es schlechterdings kein Unterschied ist, ob ich morgen oder in 30 Jahren sterbe, daß alle Plane und alles mir davonschwindet, und daß ich die armen Menschen lieben soll, die sobald mit ihrem bißgen Leben niedersinken ...« Und später: »Ich vergesse den 15. November nie. Ich wünsche jedem Menschen einen 15. November. Ich empfand, daß es einen Tod gebe ... An jenem Abend drängte ich vor mein künftiges Sterbebette ... sah mich mit der hängenden Totenhand, mit dem eingestürzten Krankengesicht, mit dem Marmorauge - ich hörte meine kämpfenden Phantasien in der letzten Nacht ...«
Die Todesvision kommt nicht unvermutet. Sie hat sich angekündigt. Sie ist der Tiefpunkt einer schon andauernden Krise. Wendepunkt ist sie nur dadurch, daß Richter bewußt wird, was mit ihm vorgeht. Die Tagebuchnotiz enthält so etwas wie ein künftiges Programm: »... und daß ich die armen Menschen lieben soll.« …