6. So jung, und viel an Werden und Vergehen

 Schwarzenbach a. d. Saale – Stadtetappe, viel Informatives über Jean Paul
Schwarzenbach a. d. Saale – Stadtetappe, viel Informatives über Jean Paul

Schwarzenbach a. d. Saale


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Den kompletten Verlauf des Jean-Paul-Wegs finden Sie hier: Literaturportal Bayern

Weitere Informationen über Jean Paul und Schwarzenbach a. d. Saale: Literaturportal Bayern – Dichterwege. Auf den Spuren von Jean Paul

Ich kann's kaum noch ertragen

Freitag, 10. August 2012. Wie doch immer alles scheinbar passend ineinandergreift – man könnte es bewusst gar nicht treffender gestalten. Gestern hatten wir unser Horror-Erlebnis im Dorf Schwingen. Es ist eigentlich nur stellvertretend für meine Wahrnehmung der heutigen, gruseligen Landwirtschaft. Dann lief gestern Abend ein Beitrag im Politmagazin »Monitor« mit dem Titel »Über den Anfang vom Ende der ganz normalen Landwirtschaft«. Der Film beginnt mit extremen Bildern aus Korea: Tierexperimente für noch effektivere Massentierhaltung. Ich schalte weg. Ich ertrage den Anblick gequälter Tiere nicht mehr. Und das geht sicher nicht nur mir so. Wer kann sich heute noch die Produktion von Lebensmitteln ansehen, ohne schockiert zu sein? Das ist nicht nur Körperverletzung an Tieren, sondern auch Körperver­letzung an Menschen. Wann wird das eigentlich einmal einklagbar? 

 

Später lese ich etwas über den Beitrag auf der Webseite von »Monitor«. Es geht um Klontechnik. Ich kann nicht mehr weiterlesen. Ich will nicht mehr. Ich wollte wandern, um zu vergessen – aber das geht wohl kaum noch. Hinter allen Ecken lauert ein Schrecken. Es gibt kein Entrinnen.

 

Da ist zum Beispiel das Computerspiel »Landwirtschaftssimulator«. Ich kenne Kinder, die das spielen. Zuerst fand ich das nett, immerhin kein Ballerspiel. Beschäftigt man sich jedoch länger damit, fällt auf, dass Kinder, die das spielen, die Landwirtschaft tatsächlich nur noch durch die Brille eines solchen Simulators erleben. Das Spiel besteht lediglich darin, große Landmaschinen zu fahren und die Felder rechtzeitig zu bestellen, um immer mehr Land, Gebäude, Energieproduktionsanlagen und Ertragstiere kaufen zu können. Sprich: genau so, wie heute oft Landwirtschaft betrieben wird – mit dem Fokus auf Wirtschaftlichkeit. Themen wie »Produktion von Lebensmitteln« und »Natur« kommen gar nicht mehr vor.

Da hilft das »Schulmeisterlein Wutz«

Haus in Reichenbach – ein Dorf vor Nagel, beide Orte liegen auf dem Jean-Paul-Weg
Haus in Reichenbach – ein Dorf vor Nagel, beide Orte liegen auf dem Jean-Paul-Weg

Heute Morgen im Bett. Peter liest mir aus dem »Schulmeisterlein Wutz« vor, die Stelle mit den Fensterläden: … wie er sonst abends sich aufs Zuketten der Fensterläden freute, weil er nun ganz gesichert vor allem in der lichten Stube hockte, daher er nicht gern lange in die von abspiegelnden Fensterscheiben über die Läden hinausgelagerte Stube hineinsah; wie er und seine Geschwister die abendliche Kocherei der Mutter ausspionierten, unter­stützten und unterbrachen, und wie er sie mit zugedrückten Augen und zwischen den Brustwehr-Schenkeln des Vaters auf das Blenden des kommenden Talglichts sich spitzten, und wie sie in dem aus dem unabsehlichen Gewölbe des Universums herausgeschnitten oder hineingebauten Closet ihrer Stube so beschirmet waren, so warm, so satt, so wohl … 

Fensterläden vor den Fenstern, die allabendlich geschlossen wurden. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal den Fensterläden meiner Mädchenjahre durch Jean Pauls Beschreibung Bedeutung beimessen würde. Denn das Gefühl, das die Zeremonie des Lädenschließens erzeugt, ist genau das der Geborgen­heit, des Am-Abend-bei-sich-Seins – den Blick nach außen zu schließen und ebenso unser Leben vor den Blicken von draußen abzuschirmen. Eine warme Höhle des Zuhauseseins unter dem unendlichen Firmament.

Dabei lag ich auf der Chaiselongue – wir sagten »Schässlong« und wussten natürlich nicht, wo das Wort stammte. Auch meine Mutter klapperte mit den Töpfen und legte Holzscheite ins Herdfeuer, Papa guckte Nachrichten, der Schwarzweiß-Fernseher stand auf einem Wandregal über der Eckbank, mein kleiner Bruder stöhnte noch über seinen Hausaufgaben, und meine Schwester deckte mit einem Handtuch den Vogelkäfig ab, damit unser Kanarienvogel Peter schlafen konnte. Kleine, beschützte Momente in einer sonst nicht so behüteten Kindheit. Je älter man wird, desto kostbarer wird die Erinnerung an sie.

Auf nach Schwarzenbach

In dieser Etappe wollen wir uns nur dem Städtchen Schwarzenbach an der Saale widmen. Es besitzt selbst einen Jean-Paul-Weg: den Schwar­zenbacher Jean-Paul-Rundweg. Dieser kommt in bunten Farben daher und beschreibt, wo, wann und wie Jean Paul hier lebte. Wir folgen nicht dem kompletten Rundweg, son­dern sehen uns nur die Stationen an, die uns zufällig im Zentrum begegnen.

 

Ei­ne ist schon gleich Station 13 in der Nähe einer Saalebrücke.

Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Stationl 13 Jean Paul im »Himmel des ersten Kusses«
Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 13 Jean Paul im »Himmel des ersten Kusses«

Jean Paul im »Himmel des ersten Kusses«

 

Von seiner Kammer im Pfarrhaus rannte der junge Jean Paul eines Abends herunter und über den Steg zu seiner heimlich geliebten Katharina Bär, »mit ihrem schnee-weißen Schürzchen und Häubchen«, um sich seinen heiß ersehnten ersten Kuss zu holen.

 

»An einem Winterabende […] machte ich mich auf zum verbotenen Wagstücke, während ein Besuch des Kaplans meinen Vater beschäftigte, im Finstern das Pfarrhaus zu verlassen, die Brücke zu passieren und geradezu (was ich noch nie gewagt) in das Haus […] zu marschieren und unten in eine Art von Schenkstube einzudringen. […] So stürmisch wie ein Räuber war ich zuerst der Geber meiner Eßgeschenke, und dann drückt’ ich […] ein lange geliebtes Wesen an Brust und Mund. […] es war eine Einzigperle von Minute, etwas, das nie da war, nie wiederkam; […] – und im Finstern hinter den geschloßenen Augen entfaltete sich das Feuerwerk des Lebens für einen Blick und war dahin. Aber ich hab’ es doch nicht vergessen, das Unver­geßliche.«

Da auf der Informationstafel nur eine verkürzte Fassung zu lesen ist, folgt hier die ganze schöne Geschichte aus den »Selberlebensbeschreibungen, Dritte Vorlesung – Schwarzenbach an der Saale – Kuß«: … Wie früher dem Kirchenstuhl gegenüber, so konnt’ ich nicht anders als zur erhöhten Schulbank hinauf – denn sie saß ganz oben, die Katharina Bärin – mich verlieben, in ihr niedliches rundes rotes blatternarbiges Gesichtchen mit blitzenden Augen und in ihre artige Hastigkeit, womit sie sprach und davonlief. (Denn Jean Paul stand Mädchen mit rundem, blatternarbigem Gesicht, so würde man es heute formulieren.) Am Schulkarnaval, das den ganzen Fastnachtvormittag einnahm und in Tänzen und Spielen bestand, hatt’ ich die Freude, mit ihr den unregelmäßigen Hopstanz zu machen und so dem regelrechten gleichsam vorzu­arbeiten und vorzutanzen. Ja bei dem Spiele »wie gefällt dir dein Nachbar« – wo man auf das Bejahen des Gefallens zu küssen befehligt wird und auf das Verneinen einem Hergerufnen unter einigen Ritterschlägen des Klumpsackes laufend Platz zu machen hat – trug ich letzte häufig neben ihr davon; eine Goldschlägerei, durch die meine Liebe wie das edelste Metall größer wurde, und ein unterhaltendes Abwechseln wie sie mir immer den Hof verbot und ich sie immer an den Hof rief, waltete ob.

Alle diese böslichen Verlassungen (desertio malitiosa) konnten mir die Seligkeit nicht abschneiden, ihr täglich zu begegnen, wenn sie mit ihrem schneeweißen Schürzchen und Häubchen über die lange Brücke dem Pfarrhause entgegenlief, aus dessen Fenster ich schauete. Sie freilich zu erwischen, um ihr etwas Süßes nicht sowohl zu sagen, als zu geben, z. B. einen Mundvoll Obst – dies war ich, so schnell ich auch durch den Pfarrhof eine kleine Treppe hinablief, um die Vorbeilaufende unten im Fluge zu empfangen, meines Wissens nie imstande. Aber ich genoß genug daß ich sie vom Fenster aus auf der Brücke lieben konnte, was, hoff’ ich, für mich nahe genug war, da ich gewöhnlich immer hinter langen Seh- und Hörröhren mit meinem Herzen und Munde stand. Ferne schadet der rechten Liebe weniger als Nähe. Wäre mir auf der Venus eine Venus zu Gesicht gekommen: ich hätte das himmlische Wesen mit seinen in solcher Ferne so sehr bezaubernden Reizen warm geliebt und es ohne Umstände zu meinem Morgen- und Abendstern erwählt zum Verehren.

Inzwischen hab’ ich das Vergnügen, alle, welche in Schwarzenbach bloß ein wiederholtes Joditz der Liebe erwarten, aus ihrem Irrtum zu ziehen und ihnen zu melden, daß ich es zu etwas brachte. An einem Winterabende, wo ich meine Prinzessinsteuer von Süßigkeiten schon vorrätig hatte, der gewöhnlich nur die Einnehmerin fehlte, beredete der Pfarrsohn, der unter allen meinen Schul­kameraden der schlechteste war, mich zum verbotenen Wagstücke, während ein Besuch des Kaplans meinen Vater beschäftigte, im Finstern das Pfarrhaus zu verlassen, die Brücke zu passieren und geradezu (was ich noch nie gewagt) in das Haus, wo die Geliebte mit ihrer armen Mutter oben in einem Eckzimmerchen wohnte, zu marschieren und unten in eine Art von Schenkstube einzudringen. Ob Katharina aber zufällig da war und wieder hinaufging, oder ob sie der Schelm mit seiner Bedientenanlage unter einem Vorwande herunterlockte, auf die Mitte der Treppe; oder kurz wie es dahinkam, daß ich sie auf der Mitte fand: dies ist mir alles nur zu einer träumerischen Erinnerung auseinandergeronnen; denn eine plötzlich aufblitzende Gegenwart verdunkelt dem Erinnern alles was hinter ihr ging. So stürmisch wie ein Räuber war ich zuerst der Geber meiner Eßgeschenke, und dann drückt’ ich – der ich in Joditz nie in den Himmel des ersten Kusses kommen konnte, und der nie die geliebte Hand berühren durfte – zum ersten Male ein lange geliebtes Wesen an Brust und Mund. Weiter wüßt’ ich auch nichts zu sagen, es war eine Einzigperle von Minute, etwas, das nie da war, nie wiederkam; eine ganze sehnsüchtige Vergangenheit und Zukunft-Traum war in einen Augen­blick zusammen eingepreßt; – und im Finstern hinter den geschloßnen Augen entfaltete sich das Feuerwerk des Lebens für einen Blick und war dahin. Aber ich hab’ es doch nicht vergessen, das Unvergeßliche.

Ich kehre wie eine Hellseherin aus dem Himmel auf die Erde zurück und bemerke nur, daß diesem zweiten Weihnachtfest der Ruprecht, da er ihm nicht vorlief, nachlief und ich nach Hause kommend schon unterwegs den Boten fand und zu Hause stark gescholten wurde über mein Auslaufen. Gewöhnlich fällt immer nach zu heißen Silberblicken der Glücksonne ein solcher Schlossen- und Schlackenguß. Was tat es mir? Mein Paradies war durch nichts zu ersäufen; denn blüht es nicht noch heute fort bis an diese Feder heran?

Es war, wie gesagt, der erste Kuß, und zugleich, wie ich glaube, der letzte dazu, wenn ich nicht absichtlich, da sie noch lebt, nach Schwarzenbach fahren und da einen zweiten geben will. Wie gewöhnlich nahm ich während meines ganzen Schwarzenbacher Lebens mit meiner telegraphischen Liebe vorlieb, welche noch dazu ohne einen antwortenden Telegraphen sich erhalten und beantworten mußte. Aber wahrlich, niemand tadelt die Gute weniger als ich, wenn sie damals schwieg oder jetzo noch – nach ihres Mannes Tode –; denn ich mußte mich später in fremdes Lieben und Herz immer erst langsam hineinreden; es half mir nichts, daß ich sogleich mit fertigem Gesicht und allem Außen schon dastand; allen diesen körperlichen Reizen mußte später erst die Folie der geistigen von mir untergelegt werden, bevor sie genugsam glänzten und blendeten und zündeten. Aber dies war eben das Fehlerhafte in meiner unschuldigen Liebezeit, daß ich, ohne Umgang mit der Geliebten, ohne Gespräche und Einleitung, ihr bei meiner dürren Außenseite die ganze Liebe auf einmal hervorgefahren zeigte und kurz daß ich ordentlich als der Judenbaum vor ihr stand, der ohne den Umschweif von Ästen und Blättern die weiche feine Blüte aus der unansehnlichen Rinde hervortreibt. …



Dann Station 1 des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges beim Rathaus.

Rathaus, früheres Schloss der Fürsten von Schönburg-Waldenburg.

 

Johann Paul Friedrich Richter (1763‒1825) war zu Lebzeiten der meistgelesene deutsche Dichter und noch populärer als Goethe. Schwarzenbach ist seit dem 17. Jahrhundert der Heimatort seiner väterlichen Vorfahren und Verwandten. Ihre Nachkommen leben noch heute hier.

 

Jean Paul verbrachte wesentliche Phasen vom Kind bis zum gefragten Schriftsteller in Schwarzenbach. Von 1790 bis 1794 verdiente er hier seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer und verfasste die Werke, denen er seinen literarischen Durchbruch verdankte. In Schwarzenbach schrieb er 1792 auch erstmals von sich als Jean Paul.

Auf dem Rathausplatz wurde Jean Paul ein Denkmal gesetzt. Durch verwinkelte Gässchen geht es weiter zur evangelisch-lutherischen Kirche St. Gumbertus.

 

Auf dem Weg kommt man am Pfarrhof vorbei. Hier wohnte die Familie Richter und wir finden Station 2 des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges.

Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 2 »Pfarrhof«
Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 2 »Pfarrhof«

Pfarrhof

 

Die Berufung auf die wichtige und gut dotierte Pfarrei in Schwarzenbach brachte für Jean Pauls Vater Ansehen und Auskommen mit sich. Als Pfarrherr war er Seelsorger, Lehensherr und Inhaber eines Wirtschaftsbetriebes. Leider starb er nach drei Jahren im Amt. Die Familie musste den Pfarrhof räumen. 
 Ein Türriegel mit den eingeschnitzten Initialen J. P. F. R. ist noch heute im Pfarrhaus zu sehen.

 

»Schwarzenbach an der Saale hatte freilich viel – einen Pfarrer und einen Kaplan – einen Rektor und einen Kantor – ein Pfarrhaus voll kleiner und zwei großer Stuben – diesem gegenüber zwei große Brücken mit der dazugehörigen Saale – und gleich daneben das Schulhaus so groß (wohl größer) wie das ganze Joditzer Pfarrhaus – und unter den Häusern noch ein Rathaus, nicht einmal gerechnet das lange leere Schloß.«

 

Jean Paul »Selberlebensbeschreibung«

In Schwarzenbach wird aus Johann Paul Friedrich Richter der Schriftsteller Jean Paul

Hier konnte Johann Paul Friedrich Richter aufleben. Daran war nicht nur der erste Kuss schuld. Das fing auch schon damit an, dass der Kaplan Johann Samuel Völkel, der die Richters besuchte, früh erkannte, wie sehr der Knabe begabt war. Völkel bat den Vater um die Erlaubnis, den Jungen zusätzlich unterrichten zu dürfen. Der Vater hatte nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren und willigte ein. Seine eigene Lehrmethode beschränkte sich ohnehin nur auf Sprachen und Auswendiglernen. Der junge Johann sog die von Völkel präsentierten »neuen Welten« förmlich auf. Vor allem aber brachte ihm der Kaplan eines nahe: die Aufklärung – eine vernunftgesteuerte Urteilsinstanz, die Hin­wendung zu den Naturwissenschaften, Toleranz, Emanzipation, Pressefreiheit, bürgerliche Rechte, neue Pädagogik, Menschenrechte, Menschenwürde, Frei­heit, Gemeinwohl, Resozialisierung, Fortschrittsoptimismus, Wahrheit …

 

Zum Schlüsselwerk der Aufklärungsphilosophie wurde 1762 der Text des Genfer Philosophen Jean-Jaques Rousseau »Du contrat social ou Principes du droit politique« (Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des politischen Rechtes), in dem er den Weg zur Demokratie skizziert. Bereits hier beschreibt Rousseau, dass die staatliche Gewalt vom Volk ausgehen müsse, denn nur der allgemeine Wille (Volonté générale) könne die Grundlage für politische Macht sein – im Gegensatz zum gegenwärtigen Gottesgnadentum des Feudalismus. Das Werk hatte großen Einfluss auf die Französische Revolution, aber letztendlich »führte« der Gedanke der Durchsetzung des Gemeinwillens zu Robespierres Terrorherrschaft. Für ihn war der Terror durch die Guillotine ein notwendiges Übel, um die Verräter der Revolution – es waren Tausende – zu vernichten.

 

Ein weiterer bedeutender Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, dachte 1784 in seinem Essay »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?« tiefer darüber nach: … Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.  Sapere aude!  (Wage es, weise zu sein!) Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter majorennes – von Natur aus mündig), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. […] …

Hier finden Sie den vollständigen Text. 

 

Jenem Denken und seinen philosophischen Hintergründen wird Jean Paul für immer treu bleiben. 

 

Der Vordenker der Aufklärung, Jean-Jaques Rousseau, wird Johann Paul Friedrich Richters großes Vorbild und ist Inspiration, später seinen eigenen Namen in Jean Paul zu ändern.

Er saugt alles auf, was Wort und Text ist

Neben Kaplan Völkel wurde auch Pfarrer Erhard Friedrich Vogel aus Rehau eine prägende Lehrerfigur für ihn, wenn nicht sogar die wichtigste. Vogel besaß eine große Bibliothek, in der es fast alles zu lesen gab, nicht nur Literatur, sondern auch Schriften aus nahezu allen Wissensgebieten und Geistesrichtungen. Da Bücher zu dieser Zeit für normale Menschen unerschwinglich waren, begann Johann Paul, sie zu kopieren und zu exzer­pieren, das heißt, die wichtigsten Gedanken der Texte schriftlich zusammenzufassen. So bastelte er sich seine eigene Bibliothek. Im Laufe seines Lebens verfasste Jean Paul mindestens 12 000 Manuskriptseiten, die heute als das Projekt »Jean Paul: Exzerpte« von der Universität Würzburg transkribiert und online gestellt wurden.

 

Im »Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz« beschreibt Jean Paul das so: … daß Wutz eine ganze Bibliothek – wie hätte der Mann sich eine kaufen können? – sich eigenhändig schrieb. Sein Schreibwerkzeug war seine Taschendruckerei; jedes Meßprodukt, dessen Titel das Meisterlein ansichtig wurde, war nun so gut als geschrieben oder gekauft; denn es setzte sich sogleich hin und machte das Produkt und schenkt’ es seiner ansehnlichen Büchersammlung, die wie die heidnischen, aus lauter Handschriften bestand. …

 

Auch Schulmeisterlein Wutz (das ist eigentlich Jean Paul selbst) schreibt, kopiert und exzerpiert so exzessiv, dass er irgendwann die ganze Sache einfach umkehrt: … da er einige Jahre sein Bücherbrett auf diese Art voll geschrieben und durch­studiert hatte, so nahm er die Meinung an, seine Schreibbücher wären eigentlich die kanonischen Urkunden, und die gedruckten wären bloße Nachstiche seiner geschrieben. …

 

Auf diese Weise hat Jean Paul sich ein so unglaubliches Wissen angeeignet, das ihn später befähigen sollte, über Reisen nach Italien zu schrei­ben, obwohl er selbst nie dort gewesen war. Dieses intensive Lesen und Exzerpieren erklärt auch den rie­sigen Wortschatz des Autors, der mich immer wieder überrascht. 

         

Wie in Joditz oder Hof, so kann man auch hier in Schwarzenbach ebenfalls ein wenig tiefer in das Leben Jean Pauls eintauchen. 

 

Wir kommen endlich zur Kirche. Hier ist Station 3 des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges.

Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 3 »St. Gumbertus-Kirche«
Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 3 »St. Gumbertus-Kirche«

St. Gumbertus – Kirche

 

Das Patrozinium der 1322 erstmals erwähnten Pfarrei weist in die Zeit vor 1000, die fränkische Zeit. Als größte Pfarrei des südlichen Regnitzlandes, hart an der Grenze zum historischen Egerland gelegen, besaß sie eine ausgeprägte eigene Tradition.

 

Hier empfand Jean Paul am Konfirmationstag nach dem Abendmahl »eine unbeschränkte, von keinem Flecken getrübte sanfte Liebe« für alle Menschen. In dieser Kirche las er aber auch einmal, auf dem Bauche liegend, den »Robinson Crusoe«, während sein Vater predigte.

Die Robinson-Crusoe-Geschichte kennen wir durch Eberhard Schmidt. Jean Paul konnte es sich leisten, während der Predigt im Buch zu lesen, denn er wusste die Predigten seines Vaters auswendig aufzusagen. Zudem hatte ihm sein Vater das Lesen des Abenteuerromans verboten: … Aber unter allen Geschichten auf Bücherbrettern … goss keine ein solches Freudenöl und Nektaröl durch alle Adern seines Wesens – als der alte Robinson Crusoe –; … Nur als Plagiar und Bücherdieb genoss er ihn aus der väterlichen Studierstube so lange, bis der Vater wiederkam – einmal las er ihn unter einer Wochenpredigt des Vaters in einer unbesuchten Empor auf dem Bauche liegend. …

Jean Paul »Selberlebensbeschreibung«

Tod des Vaters

Der Vater war hier nur drei Jahre im Amt. Der Familie ging es wirtschaftlich besser als in Joditz, doch mit dem Tod des Vaters war jäh das ganze Glück dahin. Denn die Witwe und die Kinder des Pfarrers waren nicht abgesichert, so wie man es sich heutzutage denken würde. Von nun an waren sie auf sich selbst gestellt. Das schöne große Pfarrhaus war Vergangenheit.

 

Hinter der Kirche liegt der Friedhof, und wir müssen eine Weile suchen, bis wir endlich die Grabplatte des Vaters finden. Sie ist an der Friedhofsmauer ange­bracht, ganz in der Nähe der Kirche, was wir leider zuerst übersehen hatten.

Vor der Grabplatte steht Station 4 des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges.

Grabstein Johann Christian Christoph Richters


 

Der Vater Jean Pauls starb am 25. April 1779 im Alter von 51 Jahren. Sein Tod stürzte die Familie in große Armut. Er hinterließ seine Frau Rosine und fünf minderjährige Söhne. Der künstlerisch und musikalisch sehr begabte Jean Paul konnte dank der Unterstützung seines Hofer Großvaters Kuhn das dortige Gymnasium besuchen. Es trägt heute seinen Namen. Vom Grab des Vaters ist lediglich dieser Stein erhalten geblieben. Die Inschrift im Stil der Zeit schildert ausführlich seinen beruflichen Werdegang und seine familiären Verhältnisse.

Johann Christian Christoph Richter war, bevor er Pfarrer wurde, Schulmeister. In jener Zeit fristeten Lehrer und Schulmeister ein ärmliches Dasein. Schon bei Amtsantritt als Lehrer machten sie Schulden, da die Stelle erst erkauft werden musste. Diese Schulden wurden sie in vielen Fällen nie wieder los, denn das Lehrergehalt reichte gerade einmal für das Nötigste zum Leben.

Wie ging es mit der Familie weiter?

Wir gehen den Weg zurück in die Stadt hinunter, gelangen wieder an die Saale, laufen über die Brücke und da steht Station 12 des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges vor einem Haus.

Das Sandens-Haus
 

Das repräsentative Gebäude gehörte dem Aktuar (Gerichtsschreiber) Johann Wilhelm Vogel, einem Freund der Familie Richter. Er war ein Verwandter von Pfarrer Erhard Friedrich Vogel, dem großzügigen Förderer Jean Pauls.

 

Wir dürfen annehmen, dass Jean Pauls Mutter, Rosine Richter, nach dem Tod ihres Mannes 1779 hier eingezogen ist. Seine »Muluszeit« (Zeit zwischen Ende der Schulzeit und Beginn des Studiums) vom Spätherbst 1780 bis zur Abreise nach Leipzig im Mai 1781 verbrachte Jean Paul bei Mutter und Brüdern in Schwarzen­bach, wahrscheinlich in diesem Haus. Im Sommer 1781 kündigte Vogel Jean Pauls Mutter das »Quartier« auf.

 

Die Eigentümer dieses Hauses waren meist Beamte des Fürsten von Schönburg-Waldenburg. Es trägt noch den Namen eines Besitzers, der aus dem gleichen Ge­schlecht wie der Burschenschaftler Carl Ludwig Sand, Mörder Kotzebues 1819, stamm­te. Später besaß es Ludwig Wilhelm Grimm, Pionier der Granitsteinindustrie des Fichtelgebirges. Johann Georg August Wirth, Vorkämpfer für Demokratie und Einheit Deutschlands, lernte hier vermutlich seine Frau kennen.

Sandenshaus in Schwarzenbach a. d. Saale
Sandenshaus in Schwarzenbach a. d. Saale

Hier wohnte die Mutter also nicht lange, knapp zwei Jahre. Wir wissen schon, dass sie dann nach Hof gezogen ist, um Geld dazuzuverdienen.

 

Wir laufen noch ein bisschen herum und entdecken zufällig Station 14 des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges.

Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 14 «Jean Pauls Birkenprater«
Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweg – Station 14 »Jean Pauls Birkenprater«

Jean Pauls »Birken-Prater«

 

Die »Birke« war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein eine beliebte Einkehr­gaststätte mit einem Biergarten, von einem Birkenwäldchen umgeben. Der Dichter Jean Paul hielt sich gerne an diesem idyllischen Ort auf, seinem »Birken-Prater«. Hier traf er sich mit Freunden und den Vätern seiner Schüler jeden Mittwoch zu einem Plausch in ungezwungener Atmosphäre. Das Einladungsschreiben zu diesem Treffen, von Jean Paul mit »Birkenpredigt« überschrieben, fand Eingang in die Weltliteratur

 


»Birken-Predigt.

Seelig sind die Schwarzenbacher: denn sie haben den Birken-Prater […], in den sie gehen können wenn sie wollen und in dem alles grün ist, das Breche gestossene Billard ausgenommen.

Seelig sind die, die zur Birken-Union treten wollen und hier deswegen subskri­bieren: denn sie können droben ieden Mitwoch wie die Fürsten öffentlich essen und finden da schöne Natur und Bier genug. […]

Verdamt sind blos die, die keinen Spas verstehen: denn diese verstehen auch keinen Ernst. – Schwarzenbach an der Saal den 11 Jun. 1791 [Sonnabend].«

Das hat er als 28-Jähriger geschrieben. Zu dieser Zeit hatte er bereits sein Theologiestudium in Leipzig abgebrochen und war nach Hof zurückgekehrt, wo er als Hauslehrer in Töpen und ab 1790 als Winkelschullehrer in Schwarzenbach tätig war.

 

Die Birkenpredigt klingt so gut gelaunt. Doch es ist nicht lange her, dass sein Bruder Heinrich sich das Leben genommen hatte (1789), sein Freund Johann Bern­hard Hermann 1790 gestorben war und Jean Paul im selben Jahr seine »Todesvision« hatte.

Hierzu Station 11 (gegenüber des Schlosses/Rathauses) des Schwarzenbacher Jean-Paul-Rundweges, die wir jedoch nicht besucht haben:

Jean Pauls Winkelschule
 

Hier, in »Hölzels Palais«, wohnte Jean Paul zwischen 1790 und 1794. Er unter­richtete in seiner »Winkelschule« sieben Kinder. Mit Benimmregeln in seinen »Schulgesetzen«, Einträgen im »Roten Buch« und der Betonung selbstständigen Lernens galt sein Unterricht als der fortschrittlichste im deutschen Sprachgebiet. Die Kinder nahmen unvergessliche Eindrücke mit ins Leben. Die gesammelten Erfahrungen mündeten später in den Erziehungsroman »Levana«.

 

In diesem Haus erlebte er am 15. November 1790 seine »Todesvision«. Dies war gleichzeitig das Ende seiner Satirenzeit und der erste Schritt zum gefeierten Schrift­steller. Es entstanden »Das Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz«, »Die unsichtbare Loge« und in weiten Teilen der »Hesperus«.

 

Zwei Briefpassagen geben uns Einblick in seine Wohnverhältnisse:

 

»Mademoiselle 100,000,000,000 Ideen fliegen mir jezt durch den Kopf und doch passet keine her. Es ist leichter und angenehmer mit Ihnen in Krötenhof zu gehen als Ihnen in Hölzels Palais zu schreiben. Unter mir wird jetzt gespuhlet – neben mir gezwirnt – draussen gehämmert: und doch sol ich unter diesem Lärm einen Brief machen, in dem ich stat des Garns Gedanken spuhle und zwirne.«

Brief an Helene Köhler, 31. Mai 1792

 

»Vor mir steigt der Mond herauf – unter mir kratzt die Maus, die mein Stuben­bursch ist – in mir sitzt das Abendessen.«

Jean Pauls innigster Freund

Bernhard Hermann ist nur zwei Jahre älter. Die beiden stehen sich gefühls­mäßig und intellektuell sehr nahe. Sie haben sich auf dem Gymnasium in Hof kennen- und lieben gelernt. Hermann studiert in Erlangen Medizin, kann sich jedoch aufgrund seiner Armut kaum irgendwelche Bücher oder Vorlesungen leisten.

 

Aus Günter de Bruyn: … Begonnen hat dieses exemplarische Leben eines kleinbürgerlichen Intellektuellen zwei Jahre vor dem Richters in Hof. Als einziges von den acht Kindern eines armen Tuchmacherehepaares übersteht er die lebensgefährlichen Kindheitsjahre. Obwohl er ständig zu Hause mitarbeiten muss, gehört der begabte Schüler immer zu den Besten. Besonders liebt er die Naturwissenschaften, weshalb er nach dem Abitur ein Theologiestudium rigoros ablehnt: Er will Arzt werden. Als der Umweg über eine Apothekerlehre fehlschlägt, folgt er den Freunden Oerthel und Richter nach Leipzig – als Theologe, aber nur zum Schein: Nach zwei Semestern wechselt er zu Medizin über, hungert sich mithilfe kleiner privater Stipendien und zeitweiliger Freitische durch, gibt Unterricht, versetzt Kleider, borgt, lässt sich von Oerthel und Otto helfen, verdingt sich als Famulus, Hofmeister, Diener und kann doch die Kosten für ein reguläres Medizinstudium nie aufbringen. Denn als Mediziner genießt er keine Vergünstigungen wie Theologen. Chirurgie kann er nicht hören, weil die Vor­lesungen 10 Reichstaler jährlich kosten, für das Zuschauen bei einer Geburt muss er 2 Gulden bezahlen, […] Geldmangel hindert ihn am Kauf notwendiger Bücher. […] Hoffnungslos aber macht ihn, dass er nie genug Geld haben wird, um die Promotion zu bezahlen. […] Um Geld zu verdienen, schreibt er, blutspuckend, in Tag- und Nachtarbeit zwei Bücher […] deren schmale Honorare ihm aber auch nicht weiterhelfen. Er macht fantastische Pläne, um der Not zu entgehen: Er will Mönch werden, nach Ostindien gehen, sich als Soldat anwerben lassen. …


So zieht Bernhard Hermann zu Fuß von Stadt zu Stadt, wandert durch ganz Deutschland, wie ein gehetzter Hund, gefühlsachterbahnfahrend durch immer neue Hoffnungen und Enttäuschungen. Er sieht die Welt in all ihren Höhen und Tiefen, Reichtum und Armut, Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten. Er ist unbeugsam in seiner Wahrnehmung, schutzlos seine Seele.

Aus Günter de Bruyn: … und die »katholischen Bilder« am Wege, die die schrecklichen Leiden des »vor­trefflichsten Menschen und wahrheitsliebenden Mannes« zeigen, trösten den armen Studenten über sein eigenes Schicksal. Als er in Berlin die Hinrichtung eines Diebes durch Verbrennen miterlebt, kann er nur schlecht seine Erschütterung verbergen. Zwar behauptet er, an den aufs Rad geflochtenen Leichen der Richtstätte ärztliches Interesse zu haben, doch streitet er heftig mit den Offizieren über das Inhumane dieser Todesart, und die schadenfrohen Reden der Zuschauer gehen ihm lange nicht aus dem Sinn. …

 

Hermann würde sich so gerne der Menschheit nützlich machen, aber nicht einmal als Soldat will man ihn. In all seiner Bedrängnis hofft er auf die Französische Revolution. Sie möge endlich Umkehr bringen. Heute wissen wir, dass Revolutionen dies nicht tun. Bis heute öffnen sie lediglich neue Märkte. Während die kleinen Bürger immer noch glauben, dass durch Revolutionen mehr Demokratie und Gerechtigkeit in die Welt kommen.

Soziales Denken überdauert alles

Hermann wird es eh nicht mehr erfahren. Er stirbt mit 29 Jahren am 3. Febru­ar 1790 an Gicht und Ausfluss, wie es im Sterberegister der Göttinger Johannis­kirche verzeichnet ist. 

 

De Bruyn schreibt: … Während er namenlos verging, erreichte der Freund [Jean Paul] alles, was er sich vorgenommen hatte. Wir sollten, wenn wir der Großen gedenken, auch manch­mal um die trauern, denen widrige Umstände die Ausbildung großer Anlagen verwehrten, die ihren unausgereiften Protest, ihre ungeformten Ideen mit ins Grab nahmen, die aber allein durch ihre Haltung dazu beitrugen, dass die Großen groß wurden. …

 

Weiter heißt es bei de Bruyn: … Der Verlust des Freundes, der mit 29 Jahren stirbt, hat Jean Paul mehr getroffen als der Oerthels und der des Bruders. Die große Erschütterung, die große schöpferische Kraft freisetzt, hier ist sie: das Erlebnis einer der Liebe sehr ähnlichen Freundschaft, die der Tod endigt. Wieder und wieder wird das Erleben von Freundschaft und Tod nach Gestaltung drängen. Die Erinnerung an Hermann wird die Quelle, aus der das Material für viele Romangestalten geschöpft wird: für Leibgeber (aus dem Roman »Siebenkäs«), Schoppe (aus »Titan«), Vult (aus »Flegeljahre«), Gianozzo (aus »Des Luftschiffers Gianozzo Seebuch«) – die Unbeugsamen, die Unangepaßten. …

 

So lebt Johann Bernhard Hermann doch weiter. Das ist tröstlich. Ja, soziales Denken lohnt sich, denn es überdauert alles.

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